BGH-Urteil zur Arzneimittelpreisbindung: Was Versandapotheken jetzt wissen müssen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem viel beachteten Urteil die Karten im Apothekenrecht neu gemischt. Im Kern ging es um die Frage, ob ausländische Versandapotheken deutschen Kunden Boni und Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente gewähren dürfen – trotz der in Deutschland geltenden strengen Preisbindung.

Hintergrund des Falls

Auslöser war eine niederländische Versandapotheke, die deutschen Patienten beim Einlösen von Rezepten Bonusgutschriften versprach. Pro Arzneimittel konnten drei Euro gutgeschrieben werden, maximal neun Euro pro Rezept. Zusätzlich gab es weitere Vorteile, etwa für die Teilnahme an einem Medikamenten-Check. Der Bayerische Apothekerverband sah darin einen Verstoß gegen die Preisbindung und das Wettbewerbsrecht und zog vor Gericht.

Während das Oberlandesgericht München den Verband zunächst bestätigte, hob der BGH die Entscheidung auf. Er stellte klar: Die deutschen Vorschriften zur Preisbindung dürfen nicht uneingeschränkt auf Apotheken angewendet werden, die ihren Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben.

Kernaussagen des BGH

Das Urteil basiert im Wesentlichen auf der europäischen Warenverkehrsfreiheit. Diese schützt den freien Austausch von Waren innerhalb der EU und erlaubt nur dann Beschränkungen, wenn sie nachweislich notwendig sind, um wichtige öffentliche Interessen – wie die Sicherstellung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung – zu schützen.

Nach Auffassung des Gerichts fehlte jedoch ein ausreichender Beleg dafür, dass Bonusprogramme ausländischer Versandapotheken die Versorgung oder die Gesundheit der Bevölkerung tatsächlich gefährden würden. Damit überwiegt das EU-Recht die deutschen Preisvorschriften.

Folgen für inländische Apotheken

Für Apotheken in Deutschland bleibt die Preisbindung weiterhin bindend. Sie dürfen verschreibungspflichtige Medikamente nicht günstiger abgeben und auch keine Zugaben wie Gutscheine oder kleine Geschenke machen. Selbst vermeintliche Kleinigkeiten – Traubenzucker, Taschentücher oder andere Aufmerksamkeiten – sind nach der Rechtsprechung unzulässig.

Dies führt zu einer spürbaren Wettbewerbsverzerrung: Während EU-Apotheken mit Sitz im Ausland Rabatte gewähren dürfen, sind deutsche Anbieter an die strengen Regeln gebunden.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil hat weitreichende Folgen für Apotheker, Versandapotheken und den Wettbewerb im Arzneimittelmarkt:

  • Versandapotheken im EU-Ausland können mit Bonusmodellen und Rabatten Kunden gewinnen, ohne gegen deutsche Preisbindungsvorschriften zu verstoßen.
  • Deutsche Apotheken bleiben rechtlich eingeschränkt und müssen mit Nachteilen im Wettbewerb rechnen.
  • Rechtsstreitigkeiten im Wettbewerbsrecht werden künftig verstärkt die Frage nach der Vereinbarkeit nationaler Vorgaben mit europäischem Recht aufgreifen.

Fazit

Das BGH-Urteil verdeutlicht, wie stark das EU-Recht auch in national geregelte Bereiche wie das Apothekenwesen eingreift. Für deutsche Apotheker ist die Lage weiterhin restriktiv, während europäische Wettbewerber ihre Spielräume besser nutzen können.

Wer als Apotheker, Unternehmer oder Betreiber einer Versandapotheke wissen möchte, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen – sei es bei Bonusprogrammen, beim Schutz vor Wettbewerbsnachteilen oder in Fragen des Arzneimittelrechts – findet in einer anwaltlichen Beratung die nötige Klarheit und Sicherheit.