Der EuGH zur Wirksamkeit asymmetrischer Gerichtsstandsvereinbarungen

Asymmetrische Gerichtsstandsvereinbarungen – auch einseitige oder “unilaterale” Gerichtsstandsklauseln genannt – sind ein gängiges Instrument in internationalen Handelsverträgen. Sie sehen typischerweise vor, dass nur eine Partei an ein bestimmtes Gericht gebunden ist, während die andere Partei die Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen hat. Solche Klauseln finden sich besonders häufig in Finanzierungsverträgen oder anderen wirtschaftlich ungleichgewichtigen Vertragsverhältnissen. Ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Recht war jedoch lange umstritten. In einer aktuellen Entscheidung vom Februar 2025 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-537/23 – Società Italiana Lastre SpA (SIL) gegen Agora SARL nun wichtige Klarstellungen getroffen.

Nach der Brüssel-Ia-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012) können Parteien grundsätzlich einen Gerichtsstand vertraglich vereinbaren. Solche Vereinbarungen müssen allerdings klar und vorhersehbar sein und dürfen nicht die Rechtssicherheit untergraben – zentrale Prinzipien des europäischen internationalen Zivilverfahrensrechts.

Der EuGH hat in seinem Urteil bestätigt, dass asymmetrische Gerichtsstandsvereinbarungen nicht grundsätzlich unwirksam sind. Ihre Wirksamkeit hängt vielmehr von bestimmten Voraussetzungen ab. So müssen derartige Klauseln (1) Gerichte innerhalb der EU oder eines dem Brüssel-/Lugano-System angeschlossenen Staates benennen, (2) objektiv nachvollziehbare und hinreichend präzise Kriterien enthalten und (3) im Einklang mit den zwingenden Zuständigkeitsregelungen der Verordnung stehen – insbesondere im Bereich des ausschließlichen Gerichtsstands sowie des Verbraucher- und Arbeitsrechts.

Von besonderer Bedeutung ist, dass der Gerichtshof betont hat: Erstreckt sich die Klausel auf Gerichte außerhalb der EU oder des Lugano-Raums – beispielsweise durch Formulierungen wie „jedes zuständige Gericht weltweit“ – und fehlt es an einer klaren Begrenzung, kann dies zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel führen. Ein solcher Verstoß gegen das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sei mit dem EU-Recht unvereinbar.

Für die Vertragspraxis bedeutet das: Asymmetrische Klauseln bleiben zulässig, sofern sie sorgfältig formuliert sind und sich im Rahmen des europarechtlich anerkannten Zuständigkeitssystems bewegen. Vage Begriffe wie „jedwedes zuständige Gericht“ sollten nur verwendet werden, wenn klar erkennbar ist, dass sich dies auf Gerichte innerhalb des EU- oder Lugano-Raums bezieht.

Die Entscheidung bringt nicht nur rechtliche Klarheit, sondern stärkt auch die Rechtssicherheit für Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind. Gleichzeitig erinnert sie daran, dass die Durchsetzung solcher Klauseln maßgeblich von ihrer konkreten Ausgestaltung abhängt. Wer auf asymmetrische Gerichtsstandsvereinbarungen setzt, sollte deren Formulierung stets sorgfältig prüfen und an die aktuelle Rechtslage anpassen.