Die Europäische Kommission hat kürzlich eine unangekündigte Durchsuchung („Dawn Raid“) bei Sanofi durchgeführt. Das Unternehmen ist weltweit ein bedeutender Akteur – unter anderem – im Markt für saisonale Grippeimpfstoffe.
Nach Angaben der Kommission dient die Maßnahme der Aufklärung möglicher Verstöße gegen das EU-Wettbewerbsrecht, insbesondere gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Zentrale Frage ist, ob Sanofi seine starke Marktstellung genutzt hat, um Wettbewerber durch abwertende Aussagen oder Kampagnen in Misskredit zu bringen und deren Marktchancen zu schwächen.
Das EU-Wettbewerbsrecht – vor allem Art. 102 AEUV – untersagt es Unternehmen, eine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen. Darunter fallen u. a. die Verdrängung von Wettbewerbern, diskriminierende Preisgestaltung oder ungerechtfertigte Marktbeschränkungen.
Ein besonderes Risiko stellt das sog. „Disparagement“ dar: gezielte Äußerungen oder Kampagnen, die Wettbewerber oder deren Produkte diskreditieren und so deren Marktzugang erschweren.
Die Pharmaindustrie – und insbesondere die Impfstoffproduktion – weist strukturelle Besonderheiten auf:
Diese Faktoren führen dazu, dass marktbeherrschende Unternehmen einer besonders strengen kartellrechtlichen Kontrolle unterliegen – vor allem dann, wenn neue Generika- oder Alternativanbieter in den Markt eintreten.
Im Fall Sanofi geht es der Kommission nicht nur um Preisfragen, sondern auch darum, ob das Unternehmen im Markt für saisonale Grippeimpfstoffe wettbewerbsbeschränkende Praktiken eingesetzt hat, die auf die Kommunikations- oder Marketingstrategien von Wettbewerbern zielten.
4.1 Bewusstsein für marktbeherrschende Stellung
Unternehmen mit erheblichem Marktanteil in einem engen Segment – etwa bei Influenza-Impfstoffen – müssen besonders darauf achten, dass ihre Kommunikation, ihr Marketing und ihr Verhalten gegenüber Wettbewerbern keine ausschließenden oder beschränkenden Wirkungen entfalten.
4.2 Überprüfung von Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen
Disparagement-Fälle zeigen: Schon indirekte Botschaften, die Zweifel an einem Konkurrenzprodukt wecken, können riskant sein – insbesondere ohne belastbare, objektive Grundlage. Empfehlenswert ist ein internes Compliance-System, das Kampagnen vorab wettbewerbsrechtlich prüft.
4.3 Verträge und Vertriebsvereinbarungen kritisch prüfen
Exklusivvereinbarungen, Treuerabatte oder komplexe Rabattmodelle – auch wenn sie im Sanofi-Fall nicht im Mittelpunkt stehen – gehören zu den klassischen Kartellrechtsrisiken in der Pharmaindustrie. Unternehmen sollten solche Vertragskonstruktionen stets wettbewerbs- und arzneimittelrechtlich prüfen lassen.
4.4 Dokumentation und Kooperation bei Ermittlungen
Bei Durchsuchungen erwartet die Kommission eine geordnete interne Dokumentation und Kooperationsbereitschaft. Wichtig: Eine Durchsuchung bedeutet nicht automatisch, dass ein Verstoß vorliegt – sie ist lediglich ein Ermittlungsschritt.
Parallel zur rechtlichen Verteidigungsstrategie sollte auch ein Kommunikationsplan vorbereitet werden, um die Reputation des Unternehmens zu schützen. Rechtliche und kommunikative Maßnahmen müssen jedoch eng abgestimmt werden, da sie teilweise unterschiedlichen Logiken folgen.
Fazit
Der Sanofi-Fall ist ein klares Signal an die gesamte Pharmaindustrie: Eine marktbeherrschende Stellung schützt nicht vor kartellrechtlicher Verantwortung.
Unternehmen sollten ihre Compliance-Strukturen regelmäßig überprüfen – insbesondere in Bezug auf Marketing, Kommunikation, Verträge und Dokumentationssysteme. Verstöße können nicht nur zu erheblichen Reputationsschäden führen, sondern auch zu Geldbußen von bis zu 10 % des weltweiten Jahresumsatzes.
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